AG-Haftung

Haftung in der Aktiengesellschaft

Haftungsrisiken für die verschiedenen Organe, Besonderheiten in Insolvenz und Schutzmaßnahmen

Was ist eine Aktiengesellschaft (AG)?

Eine Aktiengesellschaft ist eine Handelsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit und somit juristische Person. Dies bedeutet, dass sie getrennt von den natürlichen Personen, die an ihr beteiligt sind, ihre eigenen Rechtsbeziehungen zu anderen Personen und Unternehmen unterhalten kann. Das Recht in einer Aktiengesellschaft wird im Aktiengesetz (AktG) geregelt.
Die Struktur einer AG ist dualistisch. Es gibt also zwei Organe, die getrennt voneinander für die operative Führung und die Kontrolle der AG verantwortlich sind. Das erste Organ ist der Vorstand, welcher gemäß § 76 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) die operative Führung übernimmt. Das zweite Organ ist der Aufsichtsrat. Dieser übt nach § 111 Abs. 1 AktG die Kontrolle über den Vorstand aus.
Ergänzt wird die Aktiengesellschaft durch ein drittes Organ: Die Hauptversammlung besteht aus den Anteilseignern, die auch Aktionäre oder Stakeholder genannt werden (§ 118 Abs. 1 AktG).
Die Hauptversammlung bestellt den Aufsichtsrat (§ 101 AktG), der wiederum den Vorstand bestellt (§ 84 AktG).
Welchen unterschiedlichen Haftungsrisiken und Haftungsbeschränkungen Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionäre unterliegen, wird im Folgenden erläutert:

Organhaftung in der AG

Vorstandshaftung in der AG

AG-Vorstand: Mitglieder, Rechte & Pflichten

Der Vorstand ist das leitende Organ der Aktiengesellschaft. Er besitzt die alleinige und unbeschränkte Befugnis zur Geschäftsführung und zugleich die Vertretungsmacht der Gesellschaft.
Im Innenverhältnis führt er die Geschäfte der Gesellschaft, im Außenverhältnis vertritt er die AG gerichtlich und außergerichtlich. Vorstandsmitglieder einer AG können natürliche und unbeschränkt geschäftsfähige Personen werden, die nicht zugleich Mitglieder des Aufsichtsrates sind. Vorstandsmitglieder werden für einen Zeitraum von fünf Jahren ernannt, können aber bei Vorliegen wichtiger Gründe eher abgesetzt werden.
Besteht der Vorstand aus mehr als einer Person, dann vertreten alle Vorstandsmitglieder die Gesellschaft gemeinsam nach außen. Es ist jedoch auch möglich, dass für bestimmte Geschäfte einzelne Vorstandsmitglieder bevollmächtigt werden können.

AG-Vorstand: Allgemeine Haftungsrisiken

Obwohl die anderen Organe ihm keine Weisungen erteilen können, ist der Vorstand einer AG “dem Wohle der Gesellschaft und ihrer Aktionäre” verpflichtet.
Die Haftungsrisiken der Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft ähneln denen der GmbH-Haftung: So sind die Vorstandsmitglieder dazu verpflichtet, die “Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters” anzuwenden (§ 93 Abs. 1 AktG). Bei Vorliegen eines grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verstoßes gegen ihre in Gesetz und Gesellschaftsvertrag festgelegten Pflichten, wie die Sorgfaltspflicht oder der Treuepflicht, zum Nachteil der AG oder ihrer Aktionäre können sie persönlich für den entstandenen Schaden haftbar gemacht werden.
Unabhängig vom Beschluss der Hauptversammlung können die Aktionäre Schadensersatzansprüche gegen Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrates durchsetzen. Dies wird durch das Klagezulassungsverfahren ermöglicht, welches in § 148 AktG festgesetzt ist. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung dessen sind allerdings ziemlich hoch.
Nach § 117 AktG können Vorstandsmitglieder außerdem haftbar gemacht werden, wenn sie ihre Macht in der Gesellschaft dazu nutzen, ein Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats, einen Prokuristen oder anderen Handlungsbevollmächtigten dazu veranlassen, der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre gegenüber schadhaft zu handeln oder aber selbst entsprechend beeinflusst werden.
Nicht zuletzt muss ein Vorstandsmitglied auch bei einem Verstoß gegen strafrechtliche Normen für den entstandenen Schaden haften. Entsprechende Ansprüche setzt der Aufsichtsrat im Auftrag der Gesellschaft durch.

AG-Vorstand: Haftung bei Firmeninsolvenz

Ab Eintritt der Insolvenzreife hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft unverzüglich, spätestens drei Wochen ab Eintritt des Insolvenzgrundes Zeit, einen Antrag auf Firmeninsolvenz zu stellen. Eine Insolvenzreife liegt in einer AG bei Überschuldung, drohender oder akuter Zahlungsunfähigkeit vor.
Weiterhin haften AG-Vorstände für Zahlungen, die sie nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet haben und die nicht “mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar” sind.
Mit Ausbleiben oder Verspätung des Antrags auf ein Regelinsolvenzverfahren besteht die Gefahr der Insolvenzverschleppung. In diesem Fall richtet sich das Strafmaß danach, ob es sich um eine vorsätzliche oder fahrlässige Insolvenzverschleppung handelt.

Aufsichtsratshaftung in der AG

Aufsichtsrat: Mitglieder, Rechte & Pflichten

Der Aufsichtsrat übernimmt in der Aktiengesellschaft eine zentrale Rolle: Er vermittelt zwischen dem Vorstand und den Aktionären einer AG. Dabei ist er vor allem für die Bestellung des Vorstands und den Schutz der Vermögensinteressen der Aktionäre zuständig. Maßnahmen zum Schutz der Aktionäre sind nach § 111 AktG unter anderem:

  • Kontrolle, Beratung und laufende Überwachung des Vorstands
    v.a. in Bezug auf Geschäftsstrategie und Budgetnutzung, z.B. regelmäßige Prüfung wichtiger Firmenunterlagen inkl. Pflicht zur Einberufung einer Hauptversammlung bei Notwendigkeit für das Unternehmenswohl
  • Zustimmung oder Ablehnung diverser unternehmerischer Firmenentscheidungen
    z.B. über Kredite an ein Vorstandsmitglied
  • Haftungsdurchsetzung gegen den Vorstand und Aufsichtsratmitglieder

Aufsichtsrat: Allgemeine Haftungsrisiken

Jedes Aufsichtsratsmitglied ist dazu angehalten, seine Rechte und Pflichten kollegial und unter Wahrung von Sorgfalt, Verschwiegenheit und Treue gegenüber der Aktiengesellschaft wahrzunehmen. Auf zivilrechtlicher Ebene haften Aufsichtsratsmitglieder wie die des Vorstands. So ist für sie eine Schadensersatzhaftung in Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft und in Außenhaftung gegenüber Dritten (besonders Gesellschaftern und Gläubigern) möglich. Auch die Vorschrift nach § 117 AktG zur Haftung für Beeinflussung eines Handlungsbevollmächtigten zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre und die Möglichkeit des Klagezulassungsverfahrens zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen seitens der Aktionäre gelten gleichermaßen für Vorstands- wie Aufsichtsratsmitglieder.
Ein Mitglied des Aufsichtsrates einer AG kann nur für Pflichtverletzungen belangt werden, die während seiner Amtszeit stattfanden. Diese Zeit beginnt mit Bestellung als Aufsichtsratsmitglied und endet mit Ablauf seiner Amtszeit bzw. der Abberufung und Ersetzung. Wurde ein Aufsichtsratsmitglied fehlerhaft ernannt, kann es gemäß §§ 116 und 93 Abs. 2 Satz 1 dennoch haftbar gemacht werden, sofern es auf Anweisung der zuständigen Organe als Aufsichtsratsmitglied tätig geworden ist. Der Gesellschafter, welcher das Aufsichtsratsmitglied entsandt oder für eine Wahl vorgeschlagen hat, kann nicht anstelle oder neben diesem haftbar gemacht werden.
Unabhängig vom Beschluss der Hauptversammlung können Aktionäre Schadensersatzansprüche gegen Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrates durchsetzen. Dies wird durch das Klagezulassungsverfahren ermöglicht. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung dessen sind allerdings ziemlich hoch.

Aufsichtsrat: Haftung bei Firmeninsolvenz

Stellt der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Kontrollfunktion die Insolvenzreife der Aktiengesellschaft fest, muss er dafür Sorge tragen, dass der Vorstand rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellt und keine Zahlungen leistet, die nicht “mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers” vereinbar sind. Verletzt der Aufsichtsrat diese Pflicht schuldhaft – also fahrlässig oder mit Vorsatz – kann er gegenüber der Gesellschaft zu Schadensersatz verpflichtet werden (KG, Az. 2 U 108/18, veröffentlicht in BeckRS 2021, 11268, Rnrn. 53 und 56). Die Beweislast für die ordnungsgemäße Ausführung der Sorgfaltspflicht und das damit verbundene Fehlen einer Schuld an der Pflichtverletzung des Vorstands trägt das Aufsichtsratsmitglied.
Bei Führungslosigkeit der Aktiengesellschaft geht die Insolvenzantragspflicht mit allen Konsequenzen auf den Aufsichtsrat über.

Zusätzlich kann sich der Aufsichtsrat einer AG auch im Rahmen des Insolvenzstrafrechts strafbar machen, indem er die Vollstreckung im Insolvenzverfahren mittels folgender Tatbestände negativ beeinflusst:

  • Bankrott nach § 283 StGB, Verletzung der Buchführungspflicht nach § 283b StGB und Gläubiger- und Schuldnerbegünstigung nach § 283d StGB
  • Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO
  • Betrug nach §263 StGB
  • Kreditbetrug nach §265b
  • Untreue nach §266 und Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt nach §266a
  • Steuerhinterziehung nach §370 AO
  • falsche Versicherung an Eides statt nach §156 StGB

Haftung der Aktionäre (Hauptversammlung)

Hauptversammlung: Mitglieder, Rechte & Pflichten

Unter dem Begriff Hauptversammlung versteht man die Versammlung der Aktionäre, in welcher sie ihre Rechte als Anteilseigner der Aktiengesellschaft ausüben.
Die ordentliche Hauptversammlung findet mindestens einmal jährlich statt (§ 120 Abs. 1, S. 1 AktG), wohingegen eine außerordentliche Hauptversammlung aufgrund besonderer Ereignisse wie z.B. der Fusion mit einem anderen Unternehmen einberufen werden kann. Im Jahr 2022 wurde aufgrund der Corona-Pandemie beschlossen, dauerhaft auch virtuelle Hauptversammlungen zuzulassen.
Bei der Hauptversammlung werden die Aktionäre im Allgemeinen über unternehmensbezogene Vorgänge informiert und bekommen die Gelegenheit, Anträge zu stellen und ihr Stimmrecht im Rahmen gesellschaftsbezogener Abstimmungen wie der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder wahrzunehmen. Nach Möglichkeit sollen auch Vorstand und Aufsichtsrat anwesend sein (§ 118 Abs. 3 AktG). Die Beschlüsse der Hauptversammlung sind für die AG bindend.

Hauptversammlung: Allgemeine Haftungsrisiken

Prinzipiell haftet das Grundkapital der Gesellschaft für die Verbindlichkeiten einer Kapitalgesellschaft wie einer AG. Dennoch gibt es ein paar wenige Fälle, in denen Aktionäre im Rahmen der Durchgriffshaftung mit ihrem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der AG haften können. Beispiele hierfür sind:

  • Vermischung von Gesellschafter- und Gesellschaftsvermögen
  • Missbrauch der Rechtsform
  • Verstoß gegen die gesetzlichen Schutzvorschriften zur Aufbringung und Erhaltung des Haftungskapitals seitens der Aktionäre, z.B. durch Verringerung dessen

Hauptversammlung: Haftungsrisiken bei Firmeninsolvenz

Streng genommen wären Aktionäre als Gesellschafter der Aktiengesellschaft Schuldner im Rahmen einer Firmeninsolvenz. Da der Wert der Aktien bei Bekanntwerden einer Firmeninsolvenz in der Regel so stark sinkt, dass sich in der Regel kaum ein Vermögensverlust abfangen oder verhindern lässt, werden die Finanzen der Anteilseigner mittels § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG ein Stück weit geschützt. Dort ist festgehalten, dass Aktionäre grundsätzlich “nur” mit ihrem eingesetzten Kapital haften. Es besteht für sie keine Nachschusspflicht. Das bedeutet, dass sie nicht mit ihrem privaten Vermögen für die Schulden der AG aufkommen müssen.
Dennoch zählen die Aktionäre zu den großen Verlierern einer Firmeninsolvenz, da sie in der Regel keinen Einfluss darauf haben, ob das Vermögen der AG liquidiert wird oder die AG aufgekauft wird. Diese Entscheidung trifft der Insolvenzverwalter. Selbst im Fall einer Liquidation werden zunächst die Forderungen der Insolvenzgläubiger bedient.

Haftungsrisiken in einer AG eingrenzen

Um die Haftungsrisiken in einer Aktiengesellschaft zu minimieren, empfiehlt sich der Abschluss einer D&O-Versicherung (engl.: Directors and Officers Liability Insurance, auf Deutsch auch: Directors-And-Officers-Versicherung, Organ-Haftpflichtversicherung oder Manager-Haftpflichtversicherung). Diese Art der Versicherung soll Schutz für Vermögensschäden bieten, die durch Pflichtverletzungen eines Organmitglieds des versicherungsnehmenden Unternehmens entstanden sind und für die das Organmitglied deshalb gegenüber dem geschädigten Unternehmen oder dem geschädigten Dritten Schadensersatz leisten soll.
Die Gesellschaft fungiert hierbei zwar als Versicherungsnehmerin und Beitragszahlerin, der Schutz der Versicherung gilt jedoch den Organen und nicht der Aktiengesellschaft selbst. Eine D&O-Versicherung deckt “echte” oder “reine” Vermögensschäden ab. Dabei handelt es sich um finanzielle Schäden ohne einen vorausgegangenen Sach- oder Personenschaden. Der Versicherungsschutz umfasst sowohl die Abwehr unberechtigter Ansprüche (Rechtsschutzfunktion), als auch die Befriedigung berechtigter Ansprüche (Freistellungsfunktion).

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