Das Schutzschirmverfahren nach ESUG
Was ist ein Schutzschirmverfahren gemäß ESUG?
Das sogenannte Schutzschirmverfahren (§ 270d der Insolvenzordnung InsO) soll die Sanierung eines Unternehmens erleichtern, indem es die vorläufige Eigenverwaltung (§ 270 ff InsO) mit dem Ziel einer frühzeitigen Vorlage eines Insolvenzplanes verbindet. Es ist damit ein gerichtliches Sanierungsverfahren.
Droht einem Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, hat es bei rechtzeitiger Beantragung die Möglichkeit, in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und des Insolvenzgerichts in eigener Sache einen Insolvenzplan auszuarbeiten. Während dieses Zeitraums kann das Unternehmen dem gewohnten Geschäftsbetrieb nachgehen, da es unter dem Schutzschirm nicht zu Vollstreckungsmaßnahmen kommt.
Ermöglicht wird diese besondere Art des vorläufigen Insolvenzverfahrens durch das im Jahr 2012 in Kraft getretene “Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen” (ESUG).
Ziele
Die Einleitung eines Schutzschirmverfahrens verfolgt primär folgende Ziele:
- Abwendung der drohenden Zahlungsunfähigkeit und Beendigung der Überschuldung
- Schutz vor Insolvenz und Rückkehr zur Wirtschaftlichkeit des Unternehmens
- Die vollständige Unternehmenssanierung
Voraussetzungen und Ablauf
Es gibt verschiedene Voraussetzungen zur Einleitung eines Schutzschirmverfahrens. Zunächst muss es vor Einsetzen der Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner beantragt werden. Grundsätzlich sind dafür drei Anträge notwendig:
- Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Frist zur Vorlage des Insolvenzplans (§ 218 Abs. 1 InsO)
- Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 13 InsO)
- Antrag auf vorläufige Eigenverwaltung (§ 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO)
Eine Unterstützung des Antrags auf Eigenverwaltung durch den Gläubigerausschuss führt dazu, dass die Anordnung nicht als nachteilig für die Gläubiger gilt.
Weiterhin muss dem Eröffnungsantrag eine Bescheinigung nach § 270d durch einen Gutachter beigefügt werden. Bei diesem Gutachter kann es sich um einen Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwalt mit entsprechender Expertise in der Insolvenzsachen, sowie im Speziellen der Aufstellung von Überschuldungsplänen und Sanierungskonzepten nach IDW S 6 handeln. Wichtig ist, dass es sich bei diesem Gutachter nicht um den vorläufigen Sachwalter handeln darf.
Folgende Punkte müssen durch den Gutachter bestätigt werden:
- Dem Unternehmen droht eine Zahlungsunfähigkeit oder das Unternehmen ist überschuldet. Die Zahlungsunfähigkeit darf jedoch noch nicht eingetreten sein.
- Die Sanierung ist nicht offensichtlich aussichtslos.
Ist die Antragstellung erfolgreich, setzt das Insolvenzgericht dem zu sanierenden Unternehmen eine Frist von bis zu drei Monaten zur Vorlage eines entsprechenden Sanierungsplans.
Bei Einhaltung der gewährten Frist zur Vorlage wird in einem Abstimmungs- und Erörterungstermin beim Insolvenzgericht über den in Eigenverwaltung erarbeiteten Insolvenzplan entschieden. Überzeugt dieser Sanierungsplan die erforderliche Mehrheit an Gläubigern, wird das Schutzschirmverfahren beendet und die angestrebte Unternehmenssanierung in die Wege geleitet.
Wird mit Verstreichen der Frist kein Insolvenzplan vorgelegt und bestehen noch Optionen auf eine Sanierung, ist das Schutzschirmverfahren noch nicht direkt gescheitert. So kann das Gericht auch ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnen. Darüber hinaus kann das Unternehmen auch noch im Rahmen einer übertragenden Sanierung verkauft werden.
Gibt es keine realistischen Aussichten auf eine Sanierung des Unternehmens mehr, wird das Regelinsolvenzverfahren eingeleitet und ein endgültiger Insolvenzverwalter bestellt.
Vorteile
- Vollstreckungsschutz: Das Unternehmen kann unter dem Schutzschirm weiter wirtschaften, da es während der Eröffnungsphase des Schutzschirmverfahrens nicht zu Vollstreckungsmaßnahmen kommt. Dieser Vollstreckungsschutz gilt auch für Vermieter, Leasinggeber und Kreditraten und kann für die Sanierung des Unternehmens äußerst hilfreich sein.
- Vorschlag des Sachwalters: Die Geschäftsführung darf selbst einen Sachwalter vorschlagen, was zu einer besseren Planbarkeit und Berechenbarkeit führt.
- Gute Verhandlungsbasis: Das Unternehmen erhält eine gute Verhandlungsposition für den Verlauf des Verfahrens durch Transparenz und frühzeitige Kommunikation gegenüber Mitarbeitern, Gläubigern und Stakeholdern.
- Vorzeitiger Gläubigerausschuss: Die Möglichkeit auf Bestellung eines vorzeitigen Gläubigerausschusses kann den Verlauf des Verfahrens positiv beeinflussen.
- Masseverbindlichkeiten: Das zu sanierende Unternehmen kann gerichtlich die Aufnahme von Masseverbindlichkeiten anordnen lassen, die vor allen anderen Forderungen bevorzugt bezahlt werden.
- Vertragliche Sonderrechte: Der Schuldner kann während der Hauptphase des Schutzschirmverfahrens Sonderrechte nutzen: Immobilien- und Arbeitsverträge unterliegen einer dreimonatigen Kündigungsfrist. Alle anderen Verträge können in dieser Zeit sofort und fristlos gekündigt werden. So können unvorteilhafte Verträge und nicht rentable Aufträge schnell gekündigt werden. Gleichzeitig können Vertragspartner des zu sanierenden Unternehmens keine Kündigung vornehmen, selbst wenn Vertragspflichten verletzt werden. Dies schützt das Fortlaufen wichtiger Verträge über das Hauptverfahren hinaus.
- Staatliche Subventionen: Während der dreimonatigen Eröffnungsphase übernimmt die Agentur für Arbeit Löhne und Gehälter der Mitarbeiter. Zusätzliche Insolvenzgelder können beantragt werden.
- Verfügungsberechtigung: Die Geschäftsleitung bleibt verfügungsberechtigt und wird während der anschließenden Planinsolvenz durch einen Sachverwalter beraten.
Nachteile
- Möglicher Zeitverzug: Die zwingend benötigte Erstellung der Bescheinigung nach § 270d ist kosten- und zeitintensiv für den Schuldner.
- Zeitdruck: Der hohe Zeitdruck durch eine Frist zur Erstellung eines umsetzbaren Insolvenzplans innerhalb von maximal drei Monaten kann zur zusätzlichen Belastung in einer ohnehin schwierigen Situation im Unternehmen führen.
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