Veröffentlichung im Weser Kurier am 27.07.2022 “Traditionsbäcker Otten ist insolvent”

Veröffentlichung im Weser Kurier am 27.07.2022

Traditionsbäcker Otten ist insolvent

Das Unternehmen kann seine Rechnungen nicht mehr begleichen – warum dennoch Grund zur Hoffnung besteht

Von LISA SCHRÖDER und FLORIAN SCHWIEGERSHAUSEN

Bremen. Der Bremer Traditionsbäcker Bäcker Otten ist insolvent. Die gestiegenen Waren- und Energiekosten sowie Umsatzeinbußen wegen Corona sollen das Unternehmen in Schieflage gebracht haben. Die Bäckerei kann laufende Rechnungen nicht mehr begleichen- Es besteht jedoch Hoffnung auf Weiterführung. Nach Angaben des vorläufigen Insolvenzverwalters Moritz Sponagel steht ein Investor bereit, den Betrieb zu übernehmen. Der Rechtsanwalt und Betriebswirt aus Bremen geht „von einem langfristigen Erhalt der Bäckerei Wolfgang Otten zumindest in Teilen“ aus.

Der Geschäftsbetrieb werde zunächst im vollen Umfang vollständig aufrechterhalten – das gelte für die acht Filialen in der Stadt und die Produktion. Erste Schritte zur Sanierung sind laut der Mitteilung des Insolvenzverwalters eingeleitet worden. Die Verhandlungen mit Lieferanten laufen. „Derzeit sehe ich gute Möglichkeiten für den Erhalt des Geschäftsbetriebes im Wege einer übertragenen Sanierung“. Äußert sich Sponagel. Insgesamt hat die Bäckerei 65 Beschäftigte. „Die Mitarbeiter halten zu ihrem Arbeitgeber. Es ist gut, dass wir jetzt alle an einem Strang ziehen“, so Sponagel. Die Löhne und Gehälter sind über das Insolvenzgeld für die Zeit von drei Monaten abgesichert.

Gründung im Jahr 1932

Otten ist eine Traditionsbäckerei. Im Jahr 1932 wurde sie von Heinrich Otten in Bremen in der Wachmannstraße gegründet. Sein Ziel sei damals gewesen: „Wir werden die besten Brötchen Bremens backen.“ Längst ist die dritte Generation am Ruder. Vor allem in den vergangenen Jahren kamen Filialen hinzu – hier sei vor allem die mir Café in der Bremer Innenstadt an der Bischofsnadel zu nennen. Erst vor wenigen Monaten eröffnete Otten auch noch an der Schwachhauser Heerstraße, Ecke Metzer Straße, nachdem Innungsbäcker Holger Groth diese Filiale aufgegeben hatte, um sich auf seinen Standort am Sielwall zu konzentrieren.

Otten verabschiedete sich bei den meisten seiner Filialen außerdem von den bisherigen Farben Rot und Gelb und verpasste sich ein neues Firmenlogo mit dunkleren Farben und einem Lindgrün. Nach der Anzahl der Filialen war Otten bisher Bremens größter Bäcker – die Konkurrenzunternehmen mit wesentlich mehr Standorten haben ihre Sitze im niedersächsischen Umland.

Während der Pandemie war aber auch zu beobachten, dass sich zum Beispiel der Otten-Standort am Dobben nicht allzu lange halten konnte. Inzwischen ist alles wieder leer geräumt. Zwei der acht Filialen des Bäckers sind derzeit wegen Mangels an Personal geschlossen. Dies befinde sich zurzeit in Quarantäne, wie es Otten auf seiner Internetseite mitteilt.

„So eine Nachricht von einer Insolvenz ist natürlich immer erst mal ein Schreck, im nächsten Moment ist auch Trauer dabei“, sagte Bernard Timphus. Der Konditormeister ist Bremens stellvertretender Kreishandwerksmeister und Besitzer des Cafés Stecker in der Knochenhauerstraße und am Marktplatz. „Die Bäckerei Otten ist irgendwie etwas, was in Bremen dazugehört“, stellt er fest.

Angesprochen auf die Gründe für die Insolvenz sagt er: „Auch Otten ist von Preissteigerungen betroffen – gerade Bäckereien sind von den steigenden Preisen der Rohstoffe sowie bei Strom und Gas betroffen.“ In so einer Situation gelte es, auf die Stammkunden zu bauen, die hoffentlich Verständnis hätten, dass man solche Preissteigerungen auch weitergeben müsse.

Gleichzeitig stellt Timphus fest, dass man in Deutschland in der Vergangenheit gewohnt gewesen sei, für Lebensmittel nicht viel Geld auszugeben: „Es liegt am Ende auch an der Gesellschaft – ihr müssen gute, handwerklich hergestellte Lebensmittel etwas wert sein, wenn sich da jeden Tag in aller Frühe jemand aus dem Bett zum Ofen bewegt, um gutes Brot und Brötchen herzustellen.“ Timphus hofft, dass es bei Otten weitergeht: „Wenn so ein Bäcker erst mal weg ist, kommt er nicht wieder.“

Die Konkurrenz der Industriebäcker

Der Sprecher der Bremer Handwerkskammer, Oliver Brandt, sagt: „Bäckereien insgesamt stehen seit Jahren vor vielen Veränderungen und Herausforderungen.“ Für einige sei die Pandemie nicht einfach gewesen, nun kommen die steigenden Energiepreise und die Inflation hinzu. „Außerdem macht der Wettbewerb zwischen den Handwerksbäckern und den Industriebäckern die Situation nicht einfacher“, ergänzt Brandt. Zudem falle es den Unternehmen einiger Branchen schwer, die gestiegenen Kosten so an die Kunden weiterzugeben, wie sie es eigentlich tun müssten.

Insolvenzverwalter Moritz Sponagel ist optimistisch und sieht für die Weiterführung der Bäckerei Otten gute Chancen – „ungeachtet der im Bäckereigewerbe allgemein vorherrschenden schwierigen wirtschaftlichen Situation und des erheblichen Konsolidierungsdrucks“. Otten ist in der Region nicht der erste größere Bäcker in Schieflage. Die Bäckerei Garde war in den vergangenen Jahren dreimal in Insolvenz gegangen.

Erschienen im Weser Kurier am 27.07.2022