Veröffentlichung im Windkraft-Journal – „Warum Windparks sich nicht vor Insolvenzen fürchten müssen“

Die Windenergie Branche ist durch einschränkende

Gesetze, ausländische Konkurrenz und auch

durch die Corona-Epidemie starkem Druck ausgesetzt.

 

(WK-intern) – Viele Unternehmen stehen kurz vor der Insolvenz, und daran kann auch die neue „Opt-In-Regelung“ zum 1.000 Meter Mindestabstand nichts ändern.

 

Doch eine Insolvenz ist nicht das Ende, auch wenn sich dieser Irrglaube noch stark hält.

 

Zuerst kommen die Liquiditätsschwächen und dann meistens Angst. Angst vor Schuldenbergen, Reputationsschäden und Haftungsansprüchen. Wie kann man mit solchen Situationen umgehen?

Zunächst bietet sich die Möglichkeit einer außergerichtlichen Restrukturierung und Sanierung des Unternehmens. Der Nachteil hier: Haftungsrisiken sind nicht beseitigt und spätestens dann realisiert, wenn das Sanierungskonzept scheitert. Weiter hängt die außergerichtliche Sanierung davon ab, dass ein einstimmiger Beschluss aller Stakeholder und Gläubiger des Unternehmens erzielt wird. Vor dem Hintergrund häufig bestehender Unsicherheiten, sowie verschiedener Vorstellungen und Erwartungen gestaltet sich dies allerdings zumeist schwierig oder sogar unmöglich.

Insolvenzrechtlich bietet sich insbesondere die Möglichkeit eine Sanierung über die sogenannte Eigenverwaltung. Als besonderes Insolvenzverfahren bietet es zum Einen die Enthaftung der beteiligten Organe (Geschäftsführung oder Vorstand) und zum Anderen die Möglichkeit, die geplante Sanierung auch gegen den Willen einzelner Gläubiger oder Stakeholder zu betreiben.

Die Eigenverwaltung kennt zwei Verfahrensarten: (1) Die „einfache“ Eigenverwaltung und (2) das sogenannte Schutzschirmverfahren. Voraussetzung für die einfache Eigenverwaltung ist, dass

(1) ein eigener Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt wird

und

(2) durch die Anordnung der Eigenverwaltung den am Verfahren beteiligten Gläubigern keine Nachteile entstehen.

Das Schutzschirmverfahren setzt weiter voraus, dass der Antrag der Schuldnerin bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt wird – nicht erst bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit – und die Sanierung Aussicht auf Erfolg hat. Diese Umstände sind durch einen unabhängigen Berater zu bescheinigen, der in Insolvenzsachen erfahren ist. Dabei kommt diese Bescheinigung einem verhältnismäßig aufwendigen Sanierungsgutachten gleich, weshalb schon aus diesem Grund das Schutzschirmverfahren kostenintensiver und aufwendiger ist. Dabei bietet die „einfache“ Eigenverwaltung grundsätzlich die gleichen Sanierungsmöglichkeiten wie das Schutzschirmverfahren.

Eine Besonderheit der Eigenverwaltung ist, dass das Verfahren von Anfang an in der Hand der Schuldnerin organisiert und von ihr selbst durchgeführt wird, woraus auch der Name Eigenverwaltung resultiert. Der eigenverwaltenden Schuldnerin wird ein gerichtlich bestellter Sachwalter zur Seite gestellt. Dieser hat im Gegensatz zu einem herkömmlichen Insolvenzverwalter keine Verwaltungs- oder Verfügungsbefugnisse. Er gilt mehr als Beobachter und Berichterstatter gegenüber dem Insolvenzgericht und zeigt Nachteile zu Lasten der Gläubiger an, wenn diese drohen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung hat er zudem die Aufgabe, die Insolvenztabelle zu führen, sowie insolvenzspezifische Ansprüche (Anfechtungs- und Haftungsansprüche) geltend zu machen. Im Übrigen bleibt aber die Schuldnerin im sogenannten „Driver‘s Seat“ und behält somit die volle Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über ihr Vermögen.

Weitere Vorteile der Eigenverwaltung sind, dass bereits mit Anordnung der sogenannten vorläufigen Eigenverwaltung, also unmittelbar nach Antragstellung, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen untersagt werden und die Schuldnerin auch die Zahlung von Insolvenzgeld beantragen kann. Dadurch können bestehende Liquiditätsengpässe für einen Zeitraum von regelmäßig drei Monaten überbrückt und die Sanierungsmaßnahmen mit der erforderlichen Ruhe vorangetrieben werden. Nach Eröffnung des Verfahrens in Eigenverwaltung bestehen besondere (verkürzte) Kündigungsrechte, die es der Schuldnerin ermöglichen, sich von unliebsamen Verträgen zu lösen oder betriebsbedingte Kündigungen von Arbeitsverhältnissen mit ebenfalls gesetzlich verkürzten Fristen auszusprechen.

Schließlich lässt ist festzuhalten, dass die Eigenverwaltung geeignet ist, um ein grundsätzlich fortführungsfähiges Unternehmen von seinen Schulden in Eigenregie zu befreien und aus der Krise zu führen. Kein Grund also, sich vor Insolvenzen zu fürchten.

Dr. Moritz Sponagel ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und begleitet u.a. die Windpark Peheim/Karlshof GmbH & Co. KG als vorläufiger Sachwalter in ihrem Eigenverwaltungsverfahren.

https://www.windkraft-journal.de/2020/06/02/warum-windparks-sich-nicht-vor-insolvenzen-fuerchten-muessen/149013